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Ukrainekrieg: Schweiz gibt ihre Neutralität auf von Dr. Ulrich Schlüer

Ein Beitrag von kla.tv

„Sag, bist du eigentlich für mich oder gegen mich?“


Mit dieser Frage fordern oft Konfliktparteien eine klare Stellungnahme. So auch im Kriegskon-flikt zwischen Russland und der Ukraine wollte Russland schon vor Kriegsausbruch die Hal-tung von der neutralen Schweiz wissen. Die Antwort von Bundesrat Ignazio Cassis mag er-staunen, dass die Haltung der Schweiz von der OSZE festgelegt werde. Nach Kriegsausbruch zeigte der Bundesrat, wie er die Neutralität der Schweiz interpretiert, indem er am 28. Februar 2022 beschloss, die Sanktionen der EU gegen Russland zu übernehmen. Dieser Entscheid tangiere die Neutralität der Schweiz nicht, erläuterten Bundesratsmitglieder gegenüber der Presse. Das sogenannte „Neutralitätsrecht“ werde weiterhin eingehalten, das den neutralen Staat verpflichte, Konfliktparteien eines zwischenstaatlichen Krieges nicht militärisch zu be-günstigen.

Diese Sichtweise des Bundesrates ist allerdings höchst umstritten. Der ehemalige Schweizer Nationalrat und Chefredakteur des „Schweizerzeit“-Magazins Dr. Ulrich Schlüer zum Beispiel kommt zu einem diametral anderen Schluss. Erfahren Sie im Folgenden seinen Standpunkt, den er im Magazin „Schweizerzeit“ vom 8. April 2022 veröffentlichte, hier in leicht gekürzter Form:


In der NATO fiel ein Grundsatzentscheid: Eine militärische Unterstützung der Ukraine findet nicht statt. Die USA erachten die Gefahr, dass das militärische Eingreifen der NATO einen Atomwaffeneinsatz durch Russland provozieren könnte, als zu groß. Ein Abseitsstehen kommt für die NATO aber auch nicht in Frage. Mit Unterstützung der EU hat sie entschieden, Russland mittels einschneidender Wirtschaftssanktionen zu Fall zu bringen. Ihre Wirtschaftssanktionen versteht die NATO als wirtschaftlichen Kriegseinsatz. Sie sollen Putin zu Rückzug und Kapitulation zwingen.[...]


Die Schweiz, obwohl völkerrechtlich anerkannt als neutrales Land, beteiligt sich an diesen Wirtschaftssanktionen, schließt sich dafür demonstrativ der EU an, obwohl EU und NATO ihre Sanktionen als Kriegsersatz-Handlungen gewertet haben wollen. 1815, am Wiener Kongress, bekannte sich die Schweiz gegenüber allen damals tonangeben-den Mächten als Land, das sich „immerwährender, bewaffneter Neutralität“ verschreibt. [...] Die Schweiz ließ sich ihre „immerwährende, bewaffnete Neutralität“ von allen führenden Mächten ausdrücklich anerkennen. Jeder Regierung von jedem Land ist seither klar: Als neutrales Land verzichtet die Schweiz in jeder kriegerischen oder kriegsähnlichen Auseinandersetzung auf Parteinahme. Die Schweiz verpflichtete sich in der Folge auch, auf wirtschaftliche Vorteile, die sich ein Neutraler auf Kosten von Konfliktparteien allenfalls ergattern kann, grundsätzlich zu verzichten. [...] Zwar haben Länder, die in Kriege verwickelt wurden, die Neutralität der Schweiz gelegentlich kritisiert – im Sinne von: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Aber res-pektiert wurde die Neutralität der Schweiz immer – nicht zuletzt dank der völkerrechtlich veran-kerten Anerkennung dieser schweizerischen Neutralität.


Zwar nimmt die Schweiz auch am Krieg zwischen Russland und der Ukraine militärisch nicht teil. Aber an den Kriegsersatz-Handlungen von NATO und EU, an den Wirtschaftssanktionen, am Wirtschaftskrieg gegen eine der beiden Kriegsparteien beteiligt sie sich ausdrücklich. Von Medien und aktionssüchtigen Politikern unter Druck gesetzt, schloss sich der schwache Bun-desrat formell den als Kriegsersatz begründeten Sanktionszielen von NATO und EU an. Die ganze Welt hat diesen Positionsbezug des Bundesrats als Abkehr der Schweiz von ihrer tradi-tionellen Politik der Neutralität verstanden. [...] Sich den Kriegs-Ersatzhandlungen einer Partei anzuschließen, bedeutet Aufgabe der Unparteilichkeit, bedeutet Parteinahme. [...]


Bereits vor Kriegsausbruch, von Russland zu klarer Positionierung aufgerufen, flüchtete sich Bundesrat Cassis in die Antwort, die Haltung der Schweiz zum Konflikt Russland/Ukraine wer-de von der OSZE festgelegt. Wir fragen dazu: Hat der Schweizer Souverän jemals in einer Volksabstimmung die Abtretung der außenpolitischen Souveränität unseres Landes an die OSZE delegiert? Wer hat die Schweiz zu einer Politik im Schlepptau der Großen degradiert? [...]


Der angerichtete Schaden ist immens. Nur eine einzige Maßnahme kann ihn korrigieren: Das Machtwort des Souveräns, der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Es ist zu ermöglichen durch eine Volksinitiative, welche die Schweiz als souveräner, immerwährend bewaffneter neutraler Staat in der Bundesverfassung verankert. [...]


Soweit die Gegenstimme von Ulrich Schlüer. Sollen über das Neutralitätsverständnis der Schweiz die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger entscheiden? Ja, es brauche in der Bundesverfassung einen Artikel für die integrale Neutrali-tät, der auch Sanktionen ausschließe, meint Alt Bundesrat Christoph Blocher und hat bereits eine entsprechende Volksinitiative angekündigt.



Quelle:




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